Teatime in Mellenthin
Die kalte Jahreszeit ist da. Mit ihr auch der Wunsch nach einem wärmenden Getränk. Guter Tee ist deshalb heiß begehrt. Auch im Wasserschloss Mellenthin.
Ob schwarz, grün, rot oder sogar weiß: Tee gibt es in vielerlei Varianten. Knapp dreißig Liter trinkt jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr. Das hört sich nach viel an, ist aber in der Praxis lediglich eine Tasse alle zwei Tage. Verglichen mit Teetrinker-Ländern wie England, Indien oder China sind wir noch weit vom ganz großen Durchbruch des Tees entfernt. Allerdings lieben wir Deutschen außer echtem Tee wie schwarzem, grünen oder weißen auch ganz besonders aromatisierten. Kräutermischungen oder Früchtetees stehen ebenfalls hoch im Kurs. Rechnet man sie zur Tee-Statistik hinzu, dann sieht unsere Bilanz schon viel besser aus.
Rhabarber-Vanille-Tee statt Hagebutte
Ich weiß noch, wie damals der große Tee-Hype in Deutschland einsetzte. Das muss in den Achtzigern gewesen sein. Plötzlich boten findige Geschäftsleute außer schnödem schwarzem ein wahres Potpourri an exotischen Teegenüssen an. Dass es sich dabei nur um aromatisierte Varianten des von uns verpönten schwarzen Tees handelte, war völlig egal. Das Land der eingeschworenen Kaffeetrinker wollte Neues entdecken und sich von Altem abgrenzen. Allein schon das Stöbern in den vielen Teeläden, die wie Pilze aus dem Boden schossen, war eine ganz neue Erfahrung. Kannten wir bisher nur viel zu lange gezogenen Schwarztee oder Kamillentee an Krankheitstagen, so machten wir jetzt völlig neue Teeerfahrungen. Das simple Aufgussgetränk duftete auf einmal köstlich nach Kirsche, Rhabarber, Vanille oder Pfirsich.
Die gute alte Teekanne mit Bambushenkel
Ganz besonders angesagt war damals auch das passende Zubehör. Der Lieblingstee wurde in einer bauchigen Kanne mit Bambushenkel und asiatisch angehauchtem Dekor aufgeschüttet und anschließend auf einem wackligen kleinen Stövchen warm gehalten. Dann lud man sich Freunde ein und servierte ihnen das stark duftende Heißgetränk in kleinen Tassen ohne Henkel. Da der aromatisierte Schwarztee ohne Zucker kaum zu trinken war, wurde er intensiv mit Kandis oder Rohrzucker gesüßt.
Heute ist meine alte Teekanne mit Bambushenkel längst den Weg allen hässlichen Porzellans gegangen: Sie landete im Müll. Auch den Teeladen um die Ecke mit seinen vielen exotischen Mischungen gibt es schon lange nicht mehr. Meine Begeisterung für Tee ist inzwischen auch ziemlich abgekühlt. So dachte ich zumindest. Bis ich im Wasserschloss Mellenthin beim Brauerabend neben einer echten Teeliebhaberin saß.
Teatime am Brauerabend in Mellenthin
Ausgerechnet an einem Abend, an dem sich alles ums Bier drehte, bestellte meine Tischnachbarin eine Tasse Tee. Sie sei mit dem Auto da und müsse noch quer über die Insel zu ihrer Ferienwohnung zurück, erklärte sie mir. Na, jedem nach seinem Geschmack. Ich hätte an ihrer Stelle wohl eher eine Apfelschorle oder eine hausgemachte Limonade bestellt. Ich dachte nicht weiter darüber nach, bis mir ein unglaublich aromatischer Duft in die Nase zog. Der Kellner hatte gerade den Tee serviert. Aus der großen bauchigen Porzellantasse dampfte es ordentlich, als die Teeliebhaberin neben mir den Deckel abhob und genüsslich Kandiszucker hinein rührte. Der köstliche Duft war mir völlig unbekannt. Es war weißer Tee mit Jasmin, wie ich erfuhr, etwas ganz Besonderes. Meine Neugier war geweckt.
Gesund und wertvoll: weißer Tee
Weißer Tee stammt aus China, erklärte mir meine Nachbarin. Ich blickte in ihre Tasse. Er sah gar nicht weiß aus, sondern eher gelblich. Er heiße nicht so wegen seiner Farbe, sondern wegen des weißen Flaums, mit dem die Knospen umschlossen sind, aus denen dieser Tee entsteht, fuhr sie ungefragt fort. Im Rohzustand sieht er also weiß aus. Er sei einer der gesündesten Tees der Welt. Er werde schonender verarbeitet als schwarzer oder grüner. Deshalb enthalte er besonders viele wertvolle Inhaltsstoffe wie Antioxidantien, die freie Radikale im Körper binden und das Immunsystem stärken. Ich war fasziniert. Jetzt wollte ich gern einmal kosten. Sie ließ mich an ihrer Tasse nippen. Er schmeckte blumig-frisch, ein bisschen nach Sommer und blühenden Wiesen. Bei diesem weißen Tee wurde Jasmin zugesetzt. Da sich die Blüten nachts öffnen, werden sie abends auf den ausgebreiteten Tee geschichtet. Dieser nimmt dann das Aroma an. Das hörte sich genauso betörend an wie der Tee duftete.
Teevielfalt in Heringsdorf
Gleich am nächsten Tag fuhr ich nach Heringsdorf. Auf der Seebrücke gibt es einen wunderbaren Teeladen. Er ist vollgepackt mit unglaublichen Sorten wie Oolong, Rooibos, Pu Erh oder lustige Mischungen wie Schietwetter, Gute-Laune und Auszeit. Schon zu Beginn meines Urlaubs war ich durch den Laden geschlendert, aber so erschlagen von dem riesigen Angebot, dass ich schnell wieder das Weite suchte. Ich war eben kein Experte. Aber jetzt hatte ich ein klares Ziel. Ein weißer Tee sollte es sein, am besten mit Jasmin. Mutig fragte ich vorne am Tresen eine Dame, die gerade blau-weiß gestreifte Teetüten etikettierte. Innerhalb von fünf Minuten war ich stolze Besitzerin einer großen Tüte herrlich duftenden weißen Tees. Die Welt des Tees hat mich zurückgewonnen!
Teatime im Wasserschloss Mellenthin